Zwischen Verlust und Neuanfang

Eine Kritik zu Zeevonk.
English version here.

Lena (Saar Rogiers) taucht in den Tiefen des Meeres, das ihr noch vor kurzer Zeit so vertraut schien. Sie sucht nach dem Monster, das ihr ihren Vater nahm. Ihren Vater, der nie Fehler machte, egal was die anderen nach seinem Tod behaupten.

Domien Huyghes Debütfilm Zeevonk handelt von Verlust und wie ein junges Mädchen versucht, damit umzugehen. Lena verliert ihren Vater an die See - den Ort, der sie beide immer verband und sie unzertrennlich machte. Auch andere Väter versterben bei dem gleichen Unglück. Während Kaz, Lenas beste Freundin, ein Erinnerungsbuch bastelt und ihrer Trauer damit Ausdruck verleiht, ist das wichtigste für Lena, die Unschuld ihres Vaters zu verteidigen, die so viele um sie herum infrage stellen.

Im Publikumsgespräch erfahren wir, dass Saar Rogiers schon in der ersten Castingrunde überzeugte. Nach Zeevonk wundert das im Publikum niemanden mehr. In diversen Close-Ups können wir Rogiers‘ Gesichtsausdrücke auf der großen Leinwand genau unter die Lupe nehmen. Und fühlen alles mit. Die Wut einer energetischen Teenagerin. Die Enttäuschung über die Menschen, die sie eigentlich unterstützen sollten. Und die Trauer, den Menschen zu verlieren, der ihr auf der Welt am wichtigsten war. Selten habe ich mich von einer Performance so abgeholt, mich so sehr in den Film hineinversetzt, mich der Protagonistin so nah gefühlt.

© Aaron Lapeirre

Der Film spielt in einer Umgebung, die zur Stimmung passt. Das aufbrausende Meer, der stürmische Wind untermalen Lenas regelmäßige Wutanfälle, gleichzeitig ist die ruhige See Schauplatz vieler magischer Momente, vor allem bei Nacht. Dieser Kontrast spiegelt die Gefühlsreise des Films wider. Es wird viel mit Farben gespielt. Mit kalten Blautönen, die den Film dominieren, die durch wenige warme Farben in den glücklicheren Momenten untermauert werden. Es ist eben nicht so schwarz-weiß, wie es sich häufig auf den ersten Blick anfühlt. Ein trauernder Mensch muss nicht ununterbrochen traurig sein. Er kann so viele Dinge gleichzeitig fühlen. Trauer, Wut, Enttäuschung, Angst, aber auch Hoffnung und Liebe, sogar Fröhlichkeit. Auf ihrer Suche nach ihrem Monster schließt Lena sogar neue Freundschaften.

Zeevonk schafft es, Trauer und den Umgang damit in all ihren Facetten einzufangen. Vor allem eine finale Botschaft begleitet mich aus dem Kinosaal: das Monster wird immer da sein. Das wichtigste ist es, ihm in die Augen zu blicken. Wie man an diesem Punkt angelangt, ist für jede Person anders. Trauer ist ein nicht abgeschlossener Prozess. Es geht darum, zu lernen, wie man damit weiterleben kann.

Es ist nicht leicht, sich so intensiv mit Verlust zu befassen, mit allem, was damit einhergeht. Wer sich Zeevonk ansehen möchte, sollte sich bewusst sein, dass es sich um keine leichte Kost handelt. Aber wer sich emotional dazu in der Lage fühlt, dem kann ich Zeevonk nur wärmstens ans Herz legen.

18.02.2023, Johanna Gosten

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