Zwischen Dokumentation und Fiktion

Eine Kritik zu Ramona
An English summary can be found below.

Santo Domingo, Dominikanische Republik. Es wird ein Film über eine schwangere 15-Jährige gedreht, die als Filmstar durchstarten möchte. Die Hauptrolle soll von Camila gespielt werden, die mit einigen jungen Müttern und schwangeren Mädchen aus der Umgebung spricht, um sich besser in ihre Rolle hineinversetzen zu können. Immer mehr bekommt sie das Gefühl, um authentisch die Rolle spielen zu können müsse man die Situation der jungen Schwangerschaft selber durchlebt haben, und dass eine ihrer Gesprächspartnerinnen dafür viel besser geeignet sei. Und so rücken die Gesprächspartnerinnen immer mehr in den Mittelpunkt der Dreharbeiten.

Der Film „Ramona" beginnt dokumentarisch. Wir sehen Szenen von Proben und Fittings und begleiten Camilla, wie sie verschiedene Dörfer besucht, um sich mit jungen Müttern zu treffen, ihre Geschichten zu hören und zu versuchen, sich in ihre Perspektive hineinzuversetzen. Im Verlauf des Films verschwimmen die Grenzen jedoch zwischen Spiel- und Dokumentarfilm. Die geprobten Szenen werden zu richtigen Szenen und die Interviewten werden zu Schauspielenden.

Diese Mischung aus Fiktion und dokumentarischer Begleitung ist künstlerisch sicherlich eine Besonderheit und interessant zu verfolgen. Allerdings schafft es „Ramona" nicht vollständig, mich in das Filmgeschehen zu ziehen und zu überzeugen. Die häufigen Perspektivwechsel zwischen inszenierten Szenen der Filmproben, richtigen Dokumentationsteilen und fiktiven Szenen des zu drehenden Filmes sorgen für mehr Unruhe als Konstanz im Film. Hinzu kommen immer wieder Sprünge in Ort und Zeit, wodurch es schwerfällt, den Szenen gespannt zu folgen.

„Ramona“ gibt einen Einblick in die Problematik von Jugendschwangerschaften und Betroffene bekommen Raum und Zeit ihre Geschichten zu erzählen. Auch die Thematik der Klassenunterschiede wird durch das Aufeinandertreffen von Camila, die eher wohlhabend wohnt und aufgewachsenen zu sein scheint, und den jungen Müttern, die in Armenvierteln in Santo Domingo wohnen, in Victoria Linares Villegas Film thematisiert. Insgesamt fehlt mir allerdings eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Thema der Jugendschwangerschaften, „Ramona“ wirkt mehr wie ein etwas aus dem Zusammenhang gerissenes Bild von verschiedenen Perspektiven des Lebens in Santo Domingo.

Aber vielleicht wollte Villegas sich auch nicht zur Aufgabe machen, kritisch auf das System und die determinierten Leben der jungen Mädchen zu schauen, sondern einfach eine neue, künstlerische Form der Dokumentation zu schaffen und gleichzeitig Eindrücke realer Probleme aus ihrer Heimatstadt zu vermitteln. Das schafft „Ramona" in jedem Fall und hat einige interessante und sehenswerte Aspekte, im Gesamtpaket überzeugt er mich allerdings nicht vollständig.

Zu sehen ist „Ramona" noch am Samstag, 25.02. 15:30 im Filmtheater am Friedrichshain und am Sonntag, 26.02. 18:45 im Cubix 8.

24.02.2023, Clara Bahrs

Between documentary and fiction


„Ramona“ tells the story about a film is being made in Santo Domingo about a pregnant 15-year-old girl trying to become a movie star. Camila, the lead actress, talks to young mothers and pregnant girls to prepare for her role. As she learns more, she feels one has to have lived through the situation of the young pregnancy oneself and that one of her interlocutors would be better suited for the role.

The film starts as a documentary, we see scenes of rehearsals and fittings and follow Camilla as she meets young mothers telling their stories. But the lines between fiction and reality become blurred in the progress of the film - rehearsed scenes become real scenes and the interviewees become actors. "Ramona" combines fiction and documentary elements in an interesting way, but the frequent changes in perspective and jumps in time and place make it difficult to follow with tension. Also the film sheds light on the issue of teenage pregnancy and class differences, but lacks a critical examination of the issue. It feels more like a snapshot of different perspectives on life in Santo Domingo. However, it still manages to convey impressions of real problems and has some interesting aspects worth seeing.

"Ramona" can still be seen on Saturday, 25.02. 15:30 at Filmtheater am Friedrichshain and on Sunday, 26.02. 18:45 at Cubix 8.

24.02.2023, Clara Bahrs

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