Vielleicht noch etwas naiv trifft Negin Ahmadi die Entscheidung nach Syrien zu reisen und den Krieg der Kurd:innen hautnah mitzuerleben. Sie interessiert insbesondere die Rolle der Frau in solch kämpferischen Auseinandersetzungen. Wie drückt sich Weiblichkeit im Krieg aus? Warum sind die Frauen bereit, ihre Leben zu riskieren, um zu kämpfen?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, lebt Negin über Monate mit Soldatinnen der Volksverteidigungseinheit YPG zusammen, wechselt häufiger mal die Lager, vielfach abhängig davon, was ihr die Leitung der Miliz erlaubt. Negin ist bei Einsätzen mit dabei, muss zunächst einmal selber lernen, wie sie mit einem Gewehr umzugehen hat. Während sie fremde Truppen angreifen, hockt sie neben den anderen Kämpferinnen in Deckung und filmt. In anderen Szenen verfolgen wir, wie sie durch zerstörte Städte laufen, zerstörte Häuser auskundschaften. Kaum zu glauben, dass es noch Leute gibt, die in dieser Trümmerlandschaft leben und sich gerade versammeln.
© Negin Ahmadi
Während die Bilder an der Front eindrucksvoll sind, zeigen viele der Frauen sich zögerlich, wenn es darum geht ihre eigenen Gedanken zu teilen. Sie haben Angst, was passieren würde, wenn ISIS oder andere Gegner mitbekämen, dass sie Teil der Miliz sind. Insbesondere die Sorge um ihre Familien treibt sie um. So fängt Negin vor allem alltägliche Momente ein, wenn die Frauen kochen, sauber machen, tanzen. Als Voiceover und Handlungsstrang dient ihre eigene Stimme, die verarbeitet, was sie miterlebt, versucht, einen Sinn aus dem Verhalten der Kämpferinnen zu ziehen. Sie wirken sehr abgestumpft. Einen der gezeigten Kämpfe nehmen sie eher als Spaß denn als Lebensbedrohung wahr. Zurück im Lager sind sie jedoch häufig recht wortkarg. Sie erzählen von den ganzen Kämpferinnen, die sie bereits verloren haben, die als Märtyrerinnen in die Geschichte eingehen. Sie nennen diese Art zu Leben Freiheit. Freiheit nicht heiraten zu müssen, Freiheit für ihre Rechte als Frauen zu kämpfen und dabei aktiv selber für eine Verbesserung sorgen zu können.
Der Umgang im Lager scheint sehr freundschaftlich zu sein, insbesondere auch zur Leiterin der Miliz, die vermutlich so in ihren Dreißigern ist. Ihr sei wichtig, dass die anderen Kämpferinnen sie auch für sie als Menschen akzeptierten und nicht einfach nur als Vorgesetzte.
Eindrucksvoll nimmt Negin uns mit auf ihre Reise, anfänglich noch unwissend, zum Ende hin zumindest ein bisschen besser nachvollziehend, was dort eigentlich passiert. Ich bin beeindruckt, von ihrem Mut, ihr Leben zu riskieren, um uns diese Szenen näher zu bringen. Gerade in einer Welt, in der zunehmend mehr Krieg herrscht, ist es essentiell, zu verstehen, was das bedeutet. Für alle möglichen Perspektiven. Negins Dokumentation bildet hierbei ein authentisches Werk, das vor allem natürlich abhängig von seinen Umständen bleibt. Ein bisschen schade, dass viele der Fragen, die Negin hat, unbeantwortet bleiben, weil sich die Kämpferinnen ihr nicht richtig öffnen möchten, oder vielleicht auch nicht können. Der Fokus aufs Wesentliche, Überleben, lässt vielleicht nicht zu, sich mit dem Erlebten näher auseinanderzusetzen. Daher ist es natürlich auch sehr verständlich, dass die Kämpferinnen keine tieferen Eindrücke teilen. So bleiben die Beobachtungen der Kamera jedoch ein wenig an der Oberfläche und wir benötigen vor allem Negins eigene tagebuchartige Erzählungen, um alles besser einzuordnen. Offen erzählt sie, was sie empfindet, was sie verwirrt, welche Fragen sie sich stellt. Was die Soldatinnen ihr nicht erzählen, macht sie also in ihrer eigenen Offenheit dem Publikum gegenüber wieder wett.
Trotzdem hätte ich mir in manchen Situationen mehr Erklärungen gewünscht, was hier gerade passiert. Warum streifen sie durch die Ruinen? Wer hat sie angegriffen? Warum? Was erhoffen sie sich von diesem Angriff? Alles offene Fragen, die dieser Film leider nicht beantwortet.
Dennoch ist Darvazeye Royaha ein Werk, das unbeschönigt, eine (mir) völlig fremde Welt aufzeigt und es ermöglicht, zumindest ein bisschen besser zu verstehen, was dort im Krieg geschieht.
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