Eine Nacht der Menschlichkeit

Eine Kritik zu Mutt.

Die Berlinale und insbesondere Generation sind schon seit Jahren ein Safe Space für queere Filme, die hier die Anerkennung finden, die ihnen gebührt. Gleichzeitig ist das Generationsprogramm auch dafür bekannt, viele Filme vorzustellen, die eher schwer im Magen liegen, die die hässlichen Seiten dieser Welt beleuchten, sie beim Namen nennen und dabei kein Licht am Ende des Tunnels aufzeigen. Glücklicherweise zählt Mutt von Vuk Lungulov-Klotz nicht wirklich zu letzteren.

Feña (Lío Mehiel) ist seit über einem Jahr als Trans-Mann geoutet und hat einen Großteil seiner Transition schon hinter sich. Er fühlt sich endlich wohl in seinem Körper, kann er selbst sein, ist umgeben von liebevollen Menschen, die ihn genau so akzeptieren und lieben, wie er ist. Doch es war und ist nicht immer einfach. Innerhalb von 24 Stunden trifft Feña seinen Exfreund John (Cole Doman), seine jüngere Schwester Zoe (MiMi Ryder) und seinen Vater Pablo (Alejandro Goic), die er alle seit Beginn seiner Transition nicht mehr gesehen hat und für immer verloren glaubte.

Obwohl Mutt bei weitem keine einfachen Themen behandelt und viele Konflikte verfolgt, schafft es Lungulov-Klotz¬, sich vor allem auf Momente voller trans joy zu fokussieren. Es ist die Hoffnung, die Mutt so strahlen lässt und zu einem meiner diesjährigen Favoriten macht. Obwohl es für eine Trans*person in unserer heutigen Gesellschaft leider nie wirklich leicht werden wird, liegt einer der schwierigsten Lebensabschnitte nun hinter Feña. Er ist dabei, endlich nach vorn zu blicken. Mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Leben aufzubauen, das seiner Identität gerecht wird.

© Quiltro LLC

Mutt lässt die Vorurteile und Sozialisierung beiseite, die mit Genderidentitäten einhergehen und richtet sein Augenmerk auf das Zwischenmenschliche. Wer sind wir, wenn wir uns von den sozialen Konstrukten entfernen, die uns bestimmte Rollen zuschreiben, die diskriminieren und Binärität erzwingen wollen? Was tun wir einander an? Wie können wir kommunizieren, einander nah sein? Welche Hürden müssen wir überwinden, um funktionierende Beziehungen zu erschaffen? Wie können wir aus Liebe handeln, ohne uns gegenseitig wehzutun?

Lungulov-Klotz hatte genug von Filmen, die nur die Schwierigkeiten des Trans*seins aufzeigen. Er möchte anderen Trans*menschen die Angst vor dem Coming Out nehmen und Hoffnung aufzeigen, wie er es vor seiner Transition nicht erleben konnte. Dabei redet er die Realität nicht schön. Es wird deutlich, dass Feña harte Zeiten hinter sich hat und noch lange nicht angekommen ist. Es gibt viele Momente, die Trans*menschen täglich so zustoßen (bzw. angetan werden) wie in Mutt dargestellt, und beim Dreh waren einige Situationen für Lío Mehiel triggernd, da es ihm so oder so ähnlich bereits widerfahren war. Doch Cast und Crew schaffen es mit Mutt einen beeindruckenden Spagat zwischen harter Realität und realistischer Zuversicht hinzulegen.

Ich möchte Mutt jeder Person ans Herz legen, ob sie sich bereits mit Trans*sein befasst hat oder nicht. Ob sie vorgefertigte Meinungen dazu hat, egal welcher Natur, oder eventuell selbst trans ist. Mutt stellt vor allem die Menschlichkeit von den Protagonist:innen dar – trans oder cis – und zeigt: am Ende sind wir doch alle nur Menschen, die richtig gesehen werden wollen. Und es liegt in unserer Hand, einander diese Würde zu geben.

21.02.2023, Johanna Gosten

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