Eine lebensverändernde Reise

Eine Kritik zu Sweet As.

Es ist eine bunte Gruppe, die vor dem Bus versammelt steht und auf eine gemeinsame Reise aufbrechen soll. Murra, die nicht mehr bei ihrer drogenabhängigen Mutter bleiben kann. Sean, der immer wieder daran denkt, sich umzubringen. Kiley, die von ihrem Freund misshandelt wird. Und Elvis, der nach einem Vorfall nicht mehr derselbe ist. Die zwei Betreuer:innen wissen, worauf sie sich einlassen, und doch ist es nicht einfach für sie, diese vier Teenager in den Griff zu bekommen. Zweck der Reise ist eine Fotosafari, bei der sich die Jugendlichen mit einer Kamera in Händen auszudrücken lernen.

© Nic Duncan / Arenamedia Pty Ltd

Sweet As ist inspiriert von der eigenen Geschichte der Regisseurin Jub Clerc. Genau wie Protagonistin Murra hat sie bei einer solchen Fotosafari für gefährdete Jugendliche ihre Liebe für Fotografie und Film entdeckt. Im Outback des westlichen Australiens führte sie nun Regie für ihren Debütfilm – der gleichzeitig der erste Film ist, der im Karijini National Park gedreht werden durfte, mit Erlaubnis der rechtmäßigen Bewohner:innen dieses Landes, dem Banjima Volk.

Der respektvolle Umgang, den die indigenen Völker Australiens mit der Natur pflegen, wird in Sweet As in Ehren gehalten. Die Bräuche der Ureinwohner:innen werden empathisch und respektvoll eingefangen, wie die Begrüßung der Natur und die Bitte, während der Zeit im Outback beschützt zu werden.

Es ist ein Film, der unterschiedliche indigene Stämme repräsentiert und von ihren Werten geprägt wird. Und obwohl deutlich gemacht wird, dass die Ureinwohner:innen Australiens noch immer unter den Folgen von systemischem Rassismus, intergenerationellem Trauma und der sogenannten „gestohlenen Generation“ leiden, richtet Sweet As seine Aufmerksamkeit auf die reiche Kultur, für deren Erhalt die indigenen Stämme so hart kämpfen mussten. Auf den Stolz, den indigene Menschen auch nach Jahrzehnten der Unterdrückung verteidigen. Statt sich auf die negativen Seiten zu beschränken, ist Sweet As vor allem ein Coming of Age Film aus Sicht eines indigenen Mädchens, deren Sorgen und Ängste die gleichen sind, wie von jeder anderen Teenagerin auch: Wann kommt meine Mutter wieder? Was möchte ich mit meinem Leben anfangen? Und woran merke ich, dass ein Junge mich auch mag?

© Nic Duncan / Arenamedia Pty Ltd

Die atemberaubenden Naturaufnahmen entführen in einen Teil Australiens, den viele Menschen so nie zu Gesicht bekommen werden. In vollkommener Einsamkeit verfolgen wir die vier Jugendlichen und erleben, wie sie sich näherkommen, sich langsam öffnen und zumindest einen Teil ihrer Probleme zu bewältigen lernen. Untermalt mit Musik indigener Künstler:innen wird Sweet As zu einem in sich stimmigen Film, der die Realität indigener Menschen widerspiegelt und von ihren eigenen Stimmen erzählt wird. Diese Reise in das australische Outback kann ich jedem nur ans Herz legen.

22.02.2023, Johanna Gosten

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