Prostitution im Regenwald

Eine Kritik zu "By The Name of Tania".
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Bleierne Stille liegt in der Luft. Lange Einstellungen von Landschaftsaufnahmen des Regenwaldes stehen im Wechsel zu ausgiebigen Nahaufnahmen einer jungen Frau, der Protagonistin. Über den ruhigen Szenen liegt ihre Stimme: „Sie sagte, mein Job würde sein, schön auszusehen und in der Bar zu tanzen, damit die Männer etwas kaufen.“, im Hintergrund hierzu tanzende Mädchen. Oder: „Und dann haben sie das kleine Mädchen Priscilla einfach so verkauft. Sie war nur ein Kind.“, im Bild eine Gruppe von Mädchen in einem Truck.
Auf einer Fähre begibt sich die Protagonistin auf den Weg ins Ungewisse, in den Abgrund. In Zeitsprüngen werden unterschiedliche Szenen wieder aufgegriffen, viele Sätze ergeben erst zu späterem Zeitpunkt einen Sinn.
Der Film wird von den Zitaten geleitet, verfügt jedoch über keinerlei eigene Action. Viele beobachtende Szenen unterstützen das Gesagte, doch nichts passiert. Atmosphärische Aufnahmen der Tropen sollen zur düsteren Stimmung beitragen. Die Stille mit Ausnahme des Gesagtem ist allgegenwärtig. Das eigentliche Thema der Prostitution wird erst nach einer halben Stunde zum ersten Mal eindeutig ausgesprochen.
Jedoch ist irgendetwas nicht stimmig, das Publikum verwirrt. In meinen Mitschriften finde ich die Frage „Warum?“. Die Geschichte des Mädchens wirkt eigenartig unfokussiert. Was ist gestellt, was ist Realität? Wenn sie es ist, die all diese furchtbaren Dinge erlebt hat, warum schafft sie es dann nicht, uns alle in ihren Bann zu ziehen? Zu erschüttern?
Diese Verwirrung hält auch bis zum Publikumsgespräch an. Ohne diese Q&A wäre es nicht möglich gewesen, die Intention der zwei Regisseurinnen zu verstehen. So handelte es sich tatsächlich nicht um eine einzelne zusammenhängende Geschichte, sondern um Zitate unterschiedlicher Mädchen, die ein junger Mann, der versuchte sie zu retten, im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Die Regisseurinnen wollten – verständlicherweise – nicht die Gewalt zeigen, die mit dieser Thematik einhergeht und ebensowenig die wahren Gesichter hinter den Geschichten und wählten daher ein Mädchen, das einen vergleichbaren Hintergrund hat, um den vielen armen Mädchen in dieser Situation eine Stimme, einen Namen zu geben: Tania. Doch leider schafft sie es nicht, die Schicksale glaubwürdig zu vermitteln. Dies liegt weniger an ihrem körperlichen Schauspiel – denn die Mimik der stillen Bilder kauft man ihr ab – als an der Art, wie die Zitate eingesprochen werden. Es ist nicht ihre Geschichte. Es sind die Geschichten anderer Mädchen und das merkt man. Da man dies aber nicht zuordnen kann, trägt es lediglich zur Verwirrung bei. Selbstverständlich ist eine echte dokumentarische Darstellung, wie die Mädchen in diese aussichtslosen Situationen geraten, nicht möglich. Doch wäre eine richtige Schauspielerin in diesem Zusammenhang vielleicht besser eingesetzt. Auch die Fokussierung auf ein konkretes Schicksal hätte größeren Effekt haben können, als in der Masse an Geschichten unterzugehen.
Ich halte die Thematik für äußerst wichtig und ein Auseinandersetzen hiermit unabdingbar. Deswegen begrüße ich auch den Versuch des Filmteams der "SoyTania"-Bewegung. Doch muss ein Film auch ohne anschließende Aufklärung funktionieren. Für mich hätten einzelne Schicksale eine größere Wirkung erzielen können, auch wenn es dann um einiges härter gewesen wäre.

12.02.2019, Sarah Gosten


Prostitution in the Rainforest


Oppressive silence. Long shots of landscapes of the rainforest alternate with extensive close-ups of a young woman, the protagonist. On top of the quiet scenes lies her voice: "She said that my job would be to look beautiful and to dance in the bar so that the men would buy drinks", in the background dancing girls. Or: "And then they just sold the little girl Priscilla. She was just a child", on screen a group of girls in a truck.
On a ferry, the protagonist sets off into the unknown, into her abyss. Jumping in time, different scenes are taken up again, which only make sense a lot later and in the beginning only cast confusion.
The film is guided by the quotations, but has no action of its own. Many observing scenes support what is said, but nothing actually happens. Atmospheric shots of the tropics contribute to the gloomy mood. The silence is omnipresent. The actual topic of prostitution is only touched upon half an hour into the film. Before that, having no background information about the movie, it would have been hardly possible to know what it is about.
However, something about the film is odd, the audience is confused. In my notes I afterwards find the word „Why?“. The story of the girl seems strangely unfocused. How much of it is acted? And how much is reality? If she is the one who experienced all these terrible things, why doesn't she manage to catch us? Or horrify us?
This confusion lasts until the audience discussion. Without the Q&A it would not have been possible to understand the intention of the two directors. It was the caste that they actually were not following a single coherent story, but instead used quotes of different girls that a young man who tried to save them had collected over the years. The directors - understandably - did not want to show the violence associated with this topic, nor the true faces behind the stories, and therefore chose a girl with a comparable background to give the many poor girls in this situation a voice, a name: Tania. Unfortunately, however, she doesn't manage to portray their fates in a credible way. This is less due to her physical acting - because we believe her facial expressions - than to the way the quotations are spoken. It is not her story. It is the stories of other girls and you notice that. But since you cannot grip what exactly it is, it only contributes to confusion. Of course, a true documentary of how the girls get into these hopeless situations is not possible. But perhaps a real actress would have been of better use in this context. Also, focusing on a concrete fate could have had a bigger effect than instead drowning in the mass of stories.
It is my strong belief that broaching the issue of this is extremely important and a discussion of it is indispensable. But a film has to work without subsequent clarification.

12th February 19, Sarah Gosten

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