Stark sein bis der Frühling kommt

Eine Kritik zu Moja Vesna-
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„Wieso weinst du nie?“ - „Ich darf es nicht, deswegen tue ich es auch nicht.“

Nach dem plötzlichen Tod der Mutter klafft ein Loch in der Familie der zehnjährigen Moja. Während ihr Vater bemüht ist die Fürsorge seiner Töchter weiter sicherzustellen und die ältere Schwester Vesna, die hochschwanger ist, ihren Gefühlen mit Poetry Slams Ausdruck verschafft, versucht Moja auf ihre Weise die entstandene Lücke zu füllen und mit der Trauer umzugehen.

Still versucht Moja die Familie zusammenzuhalten und nimmt schon fast eine Mutterrolle ein: Sie organisiert Klamotten für das bald kommende Kind, kauft Medikamente für Vesna und besorgt ein Geschenk für deren Geburtstag. Es scheint fast so, als ob die beiden Mädchen Rollen getauscht hätten - die jüngere Schwester nimmt die Verantwortung in die Hand, umsorgt ihre Schwester und erledigt sich Aufgaben, denen man in ihrem Alter nicht gewachsen sein sollte.
Vesna hingegen versucht als einzige ihre Gefühle und die Trauer teilweise mit den anderen zu teilen und zu kommunizieren, findet allerdings auch keinen richtigen Zugang zu ihrer jüngeren Schwester, die die metaphorische Sprache ihrer Texte nicht versteht. In anderen Momenten wiederum läuft Vesna der Situation davon, verdrängt ihre Schwangerschaft und lässt Moja mit dem Versuch allein, irgendwie Struktur in die Familie zu bekommen.

Obwohl in den 80 Minuten kaum geredet wird, geschweige denn richtige Gespräche geführt werden, schafft es Regisseurin Sara Kern in ihrem Langfilmdebüt tiefen Einblick in eine gebrochene Familie und die Gefühlswelt aller zu geben. Lange, ruhige Szenen mit wenig Musik bringen die Gedanken und Handlungen Mojas dem Publikum nahe und erlauben es in die Szenen einzusteigen. Dabei werden ihre Gefühle von der Hauptdarstellerin Loti Kovačič besonders authentisch vermittelt.

Der Filmtitel „Moja Vesna“ bedeutet neben den beiden Namen der Charaktere auch aus dem slowenischen übersetzt „mein Frühling“. Auf den ersten Gedanken scheint das aufgrund der Lage der Familie unpassend zu sein. Allerdings schimmert doch auch immer wieder ein kleines Fünkchen Hoffnung durch - als Moja mit ihrer neuen Freundin im Skatepark ist, die Schwestern zusammen einen kurzen Moment lachen können oder sie beginnt, sich dem Vater zu öffnen. Wie eine kleine erste Knospe, die sich nach einem langen und kalten Winter durch den Boden kämpft und das Tageslicht erblickt.

Moja Vesna“ berührt auf vielen Ebenen und lässt einen wieder ein Mal spüren, wie wichtig Zusammenhalt ist und wie viel nahestehende Menschen, denen man sich anvertrauen kann, bedeuten. Eine klare Empfehlung meinerseits.

Weitere Vorstellungen auf der Berlinale:

Mo. 14.02. 15:30 Uhr Filmtheater am Friedrichshain
Di. 15.02. 10:30 Uhr Haus der Kulturen der Welt
Sa. 19.02. 14:00 Uhr Haus der Kulturen der Welt
14.02.2022, Clara Bahrs

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